Chinesen als Exoten zur Schau gestellt

 

Bei den Recherchen zu unserem Buch „Die Langnasen – Was die Chinesen über uns Deutsche denken“ gingen wir der Frage nach, wann die ersten Chinesen nach Deutschland kamen und wer sie waren. Wir stießen dabei auf die Geschichte der jungen Kaufleute Feng Yaxing und Feng Yaxue, zwei Cousins aus Kanton, gebildet, abenteuerlustig und sicherlich allem Neuen aufgeschlossen. Letzteres sollte ihnen zum Verhängnis werden.

Um 1818 reisten sie auf einem Segelschiff der britischen Ostindienkompanie Richtung Europa. Zunächst gelangten sie nach St. Helena, jener Insel, auf der einer der berühmtesten Zeitgenossen Europas gerade in der Verbannung lebte: Napoleon I. Sie wurden zu einem gemeinsamen Essen mit ihm eingeladen. Von St. Helena ging es weiter nach London, wo sie einen deutschen Kaufmann trafen, der sie zu einem Besuch seiner Heimat überredete. Sie ahnten nicht, dass sie damit ihre Freiheit verlieren würden.

Damals führte man gern exotisch wirkende Menschen aus Übersee auf Schaubühnen einem interessierten Publikum vor. Auch in Hamburgs berühmtem Zoo fanden bis zum frühen zwanzigsten Jahrhundert solche Völkerschauen statt. Zwar sperrte der deutsche Kaufmann die beiden in keinen Zoo, stellte sie jedoch in einer Exotenschau dem Berliner Publikum vor. Gegen einen Eintrittspreis von 6 Groschen konnte man ihnen zusehen, wie sie in langen Gewändern die zweisaitige Geige spielten, Chinesisch sprachen, Schriftzeichen pinselten und Bewegungen des Schattenboxens vollführten. Heinrich Heine soll sich das angesehen haben und auch Johann Wolfgang von Goethe zeigte Interesse. Er empfing die beiden zu Hause in Weimar zu einem Essen.

Doch die Exotenschau erwies sich als wenig einträglich. Die Berliner fanden nicht viel Besonderes an den beiden Chinesen. Darum versuchte ihr deutscher Entdecker sie auch schnell wieder loszuwerden und bot sie für 1000 Taler dem preußischen König an. In Preußen beobachtete man schon seit langem mit Unmut den Erfolg der führenden europäischen Seehandelsnationen und beneidete sie um ihre Stützpunkte in Übersee. Im siebzehnten Jahrhundert hatte der brandenburgische Kurfürst versucht, nach holländischem Vorbild eine Ostindienkompanie zu gründen. Dafür brauchte man jedoch nicht nur Häfen und hochseetaugliche Schiffe, sondern auch detaillierte Kenntnisse der überseeischen Regionen. Friedrich Wilhelm III. glaubte, dass die Fengs ihm wertvolle Informationen zum Chinahandel liefern könnten, zahlte deshalb die geforderte Summe und nahm die beiden 1823 als Lakaien in seine Hofdienerschaft auf. Die Fengs wären lieber in ihre Heimat zurückgekehrt, doch wurde ihnen dies verwehrt. Stattdessen mussten sie Deutsch lernen und deutsche Wissenschaftler in Chinesisch unterrichten. Später hatten sie biblische Texte ins Chinesische und Texte aus chinesischen Klassikern ins Deutsche zu übersetzten. 1826 heiratete Feng Yaxue mit Genehmigung des Königs eine deutsche Frau. Es war die erste registrierte deutsch-chinesische Eheschließung. Auch sein Cousin Yaxing heiratete eine Deutsche. Als diese bei der Geburt ihres vierten Kindes starb, bat er erneut darum, in seine Heimat zurückkehren zu dürfen. 1836 wurde ihm dies gestattet. Er soll in China das stolze Alter von 95 Jahren erreicht haben. Feng Yaxue hingegen blieb in Potsdam. Er starb 1877 im Alter von 79 Jahren, angeblich als wohlhabender Mann.