Die Teekannenblase

  

Zishahu aus Yixing

Immer wieder wird von einer chinesischen Immobilienblase berichtet. Wohnungen und Häuser in Metropolen wie Beijing und Shanghai sind zu Spekulationsobjekten geworden. Irgendwann, so heißt es, platze die Blase und viele Leute würden eine Menge Geld verlieren. Aber wen bewegt eigentlich die Teekannenblase? Hat schon mal jemand davon gehört?

Mitte der 1970er Jahre, während meiner ersten Chinareise, entdeckte ich die Keramikkännchen aus Yixing. Seitdem habe ich mein Herz an sie verloren. Die Chinesen nennen sie zishahu, purpurne Tonkannen, weil die Tonerde Yixings, die reich an Eisenoxid ist, ihnen den so typischen rotbräunlichen Farbton verleiht. Neben den warmen Farbnuancen ist es die besondere Materialbeschaffenheit, die diese Teekannen auszeichnet und bei den Chinesen so beliebt macht. Der poröse Ton nimmt das Teearoma auf und verstärkt dadurch den Geschmack.  Das ist umso interessanter, als der Tee recht stark und nur in kleinen Schlucken genossen wird. Handelt es sich beispielsweise um den halbfermentierten Wulongtee, füllt man die Kanne mit Blättern halbvoll, überbrüht und lässt sie nur etwa eine Minute ziehen bevor der Tee in kleine Becher abgegossen wird. Manche älteren Herrschaften halten an dem alten Brauch fest, direkt aus einem eigenen Kännchen zu trinken. Ist eine Kanne lange Jahre in Gebrauch, steckt so viel Aroma in dem Ton, dass allein ein Aufguss mit heißem Wasser schon nach Tee schmeckt.
Zishahu gibt sie in allen Variationen – von schlicht bis elegant und kunstvoll verziert und verschnörkelt, und natürlich auch in allen Größen. Im allgemeinen sind die Kännchen zierlich und passen bequem auf einen Handteller. Nur im Norden bevorzugt man die größeren Kannen, in die viel hineinpasst. Ich begann damals, in den 1970er Jahren, also eifrig zishahu zu sammeln. So ein Kännchen kostete ja nicht viel, und mein lieber Mann, der meine Sammelleidenschaft nicht unbedingt teilte, lächelte nur immer amüsiert, wenn ich mal wieder stolz auf ein volles Dutzend wies. Unruhig wurde er erst, als ich mich für Meisterstücke zu interessieren begann und die Massenware links liegen ließ.

Yixing, keine zweihundert Kilometer westlich von Shanghai gelegen, ist das Mekka für all jene, die meine Vorliebe teilen. Was kann es Schöneres geben, als dort durch die Läden und Manufakturen zu streifen. Vor fast zwanzig Jahren hatte ich erstmals Gelegenheit, die bescheidenen Werkstätten einzelner Meister zu besuchen. Unter ihnen war ein junger Mann, der, anstatt wie seine Kollegen mit neuen Formen zu experimentieren, sich an die schlichte Eleganz jahrhundertealter Vorbilder hielt. Eins seiner Werke fiel mir ganz besonders ins Auge. Für umgerechnet viertausend Euro hätte ich es haben können. Doch das war ein Preis, der für mich jenseits von gut und böse lag. Soviel war ich nicht bereit auszugeben. Kürzlich hielt ich mich erneut in Yixing auf. Aus manchen Meistern sind inzwischen wohlhabende Unternehmer geworden und aus ihren bescheidenen Werkstätten weitläufige Studios mit angeschlossenen Ausstellungsräumen und atemberaubenden Sammlungen. Ich entdeckte ein ähnliches Kännchen wie ich es damals hätte haben können. Rückblickend wäre es ein Schnäppchen gewesen, denn inzwischen hat sich der Preis mehr als verzehnfacht. Aus Mangel an lukrativen Investitionsmöglichkeiten legen viele Chinesen heute ihr Geld in Kunst an, und so natürlich auch in meine heißgeliebten Zishahu. Manche Meister können sich vor Bestellungen kaum retten und verlangen horrende Preise. So warte ich ab bis die Blase irgendwann platzt, damit ich vielleicht doch mal preisgünstig an ein schönes Stück komme.