Von Da zha xie – Wollhandkrabben und den Tricks chinesischer Krabbenzüchter
Mit dem Mondfest geht es los. Dann schlagen die Herzen der chinesischen Gourmets höher. Nicht weil im ganzen Land die Mondkuchen auftauchen, jenes süße und schwer verdauliche Gebäck, das zum Mondfest gehört wie der Tannenbaum zum deutschen Weihnachtsfest. Diese kunstvoll verpackten Kuchen werden dann überall verschenkt, doch kaum jemand mag sie heute noch wirklich essen. Nein, mit dem Mondfest am 15. Tag des achten Mondmonats, wenn der hellste und klarste Vollmond des Herbstes zu sehen ist, beginnt die Saison der Wollhandkrabben.
Und deshalb sind sie schon seit Wochen überall in Shanghai zu sehen: in Körben und Aquarien, auf Märkten, in Geschäften und Restaurants, beim fliegenden Händler an der Ecke und sogar in manchen Shops auf den Flughäfen. Besonders sympathisch anzusehen sind diese dunkelgrün schimmernden Krabbeltiere nicht gerade, für die Shanghaier jedoch und für viele andere Chinesen auch gibt es – zumindest zu dieser Jahreszeit – nichts Köstlicheres als die „da zha xie“ (Große-Gatter-Krabben), eine Delikatesse, für die sie gern tief in die Tasche zu greifen.
Den seltsamen Namen verdankt die Krabbe, die zu den Kurzschwanzkrebsen gezählt wird, dem dichten Haarpelz an den Scheren der Männchen. In China liegt das Zentrum ihrer Zucht im Mündungsgebiet des Yangzi-Flusses und den zahlreichen Süßwasserseen der Provinz Jiangsu. Beides ist für ihre Zucht nötig, Salz- wie auch Süßwasser. Kenner behaupten, dass die schmackhaftesten Tiere aus dem Yangchenghu kommen, einem riesigen Seengebiet etwa anderthalb Autostunden westlich von Shanghai gelegen. Und davon scheinen auch alle übrigen Chinesen überzeugt zu sein, denn für die edlen Yangchenghu-Exemplare muss man wesentlich mehr bezahlen als für ihre Kollegen aus weniger bekannten Gewässern. Weil die Nachfrage bei weitem die Produktion übersteigt, schaffen pfiffige Geschäftsleute billige Krabben massenhaft aus anderen Gebieten heran, tauchen sie in Körben für ein paar Tage in den berühmten See und verkaufen sie dann mit prächtigem Gewinn als Original Yangchenghu-Krabbe. Doch die Einheimischen kennen diesen Trick und nennen solche Exemplare „Auslandsstudenten“, weil sie sozusagen zur Verbesserung ihrer Qualität einen Aufenthalt in einem fremden Gebiet absolviert haben. Natürlich meinen die echten Experten genau unterscheiden zu können, ob es sich um einen einheimischen oder einen zugereisten Krebs handelt. Um sicherzugehen, dass man auch wirklich bekommt wofür man zahlt, düsen an jedem Wochenende Massen von Feinschmeckern in ihren deutschen und japanischen Autos zum Yangchenghu, an dessen Ufern sich mehrere Tausend Restaurants aller Größen und Kategorien reihen, suchen sich ihre Krebse selbst aus den Körben aus und lassen sie sich an Ort und Stelle frisch zubereiten.
Es gibt mehrere Möglichkeiten der Zubereitung. Am Yangchenghu werden die Krabben gedämpft, bis nach etwa zwanzig Minuten ihre Schale krebsrot ist. Danach rückt man ihnen mit Schere und Spieß zu Leibe. Doch die wahren Gourmets lehnen jedes Werkzeug ab, denn mit Fingern und Zähnen geht alles viel einfacher und ist nebenbei noch schmackhafter. Der Rückenpanzer wird abgehoben, der Krebs in zwei Hälften geteilt, in dunklen Reisessig mit Ingwer getaucht und den Rest erledigen die Zähne. Dazu trinkt man dunklen Reiswein und nach dem Essen heißen Ingwertee mit Rohrzucker.
Ich muss zugeben, dass ich mich den lebendigen Krebsen nur ungern nähere und sie auch nicht auswählen mag, aber krebsrot und zubereitet sind sie wirklich eine Köstlichkeit.