Eine der bedeutendsten Künstlerinnen Japans begeistert das Shanghaier Publikum
In letzter Zeit war viel über die politischen Spannungen zwischen China und Japan zu hören. Mancher stellte sich gar die Frage, ob es zu einem Krieg zwischen beiden Ländern kommen könnte. Ganz anders die Situation auf dem Gebiet der Kunst, wo sich Chinesen und Japaner ganz ausgezeichnet verstehen. In Shanghai werden zurzeit die Werke einer der bedeutendsten japanischen Künstlerinnen der Nachkriegszeit ausgestellt, und das Interesse ist riesengroß.
Ich habe schon etliche Ausstellungseröffnungen in dem Shanghaier Museum of Contemporary Art, MoCa, besucht. Doch einen solchen Andrang wie am 14.12.2013 habe ich noch nie erlebt. Kusama Yayoi, A dream I dreamed! Der Eröffnung vorangegangen war eine Pressekonferenz, zu der mehrere Dutzend Medienvertreter erschienen. Am nächsten Tag wusste halb Shanghai über diese außergewöhnliche Künstlerin der Pop Art, des Minimalismus und der feministischen Kunst Bescheid, und die Schlange derer, die ihr Werk sehen wollten und vor dem Museum geduldig auf Einlass warteten, war mehrere Hundert Meter lang.
Ich kannte Kusama Yayois Werk nur flüchtig. In Zeitschriften hatte ich Arbeiten von ihr gesehen, wie zum Beispiel ihre polka dots, ihr Markenzeichen. Das sind Farbtupfer, die sie auf Wände, Leinwand, Menschen und Gegenstände setzt. Vor ein paar Jahren hat sie für Louis Vuitton Kleidung und Accessoires mit polka dots bedeckt. Über ihre Person selbst wusste ich nichts, und doch spürte ich beim Rundgang durch ihre Ausstellung schon nach wenigen Minuten die ungeheure Intensität, die dieser Künstlerin und ihrem Werk eigen ist.
Geboren 1929 wuchs Kusama Yayoi im Japan der 1930/1940er Jahre auf. Wie damals für Töchter üblich war die Erziehung streng und autoritär und ganz auf das traditionelle Frauenbild ausgerichtet. Mit unendlich viel Kraft und Schmerz setzte sie gegen den Widerstand ihrer Familie ein Kunststudium durch. Die heftigen familiären Auseinandersetzungen sollen ein Grund sein für den frühen Beginn ihrer psychischen Erkrankung, die sich in Halluzinationen äußerte. Diese Halluzinationen von einer Unendlichkeit an Punkten und Netzen, in denen sie sich zu verlieren und aufzulösen glaubte, spiegelten sich bereits in ihren frühen Arbeiten wider. Schon bald gewann sie als Künstlerin Aufmerksamkeit. 1952 gab es eine erste Einzelausstellung. Weitere folgten. Doch trotz dieser Erfolge wurden ihre Arbeiten in Japan weitestgehend abgelehnt. Als man sie 1955 auf der „18th Biennial at the Brooklyn Museum“ ausstellen wollte, beschloss sie, nach New York zu gehen. Das Geld für den Flug erhielt sie von ihren Eltern gegen das Versprechen, nie wieder zurückzukehren. Bevor sie ging, vernichtete sie den größten Teil ihrer Arbeiten. Erst 1973 kehrte sie nach Japan zurück und quartierte sich in eine psychiatrische Klinik ein, wo sie heute noch lebt.
Kusama Yayoi wird im März 85 Jahre alt. Ihre Werke werden heute in weltweit bekannten Museen und Galerien ausgestellt und erreichen bei Auktionen Höchstpreise. Trotz ihres hohen Alters unterhält sie noch immer ihr Atelier, in dem sie regelmäßig arbeitet.
Die Ausstellung „Kusama Yayoi, A dream I dreamed“ geht bis zum 30. März 2014: Museum of Contemporary Art, Gate 7, People’s Park, 231 Nanjing West Road, Shanghai.