Im Himmel das Paradies, auf Erden Hangzhou, so lautet eine alte chinesische Redensart. Und so ganz unrecht hatten die alten Chinesen sicher nicht, denn auch Marco Polo bezeichnete die Stadt als die vornehmste und schönste der Welt. Das kann man heute wohl nicht mehr guten Gewissens behaupten, denn die entscheidenden Behörden gaben sich in den letzten Jahrzehnten reichlich Mühe, durch rigorose Modernisierungsmaßnahmen der Stadt manches von ihrem Zauber zu nehmen. Trotzdem gehört Hangzhou mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten noch immer zu den wichtigsten Reisezielen Chinas.
Hangzhou ist eine Stadt der Künste. Dort liebt man die Malerei, die Kalligraphie, das Kunsthandwerk und die Musik. Berühmte Maler gingen aus dieser Gegend hervor. Die Kunstakademie der Stadt ist über die Landesgrenzen hinaus für alle Kenner ein Begriff.
Neben der Malerei gehört die Kalligraphie zu den ältesten chinesischen Künsten, und sie wird bis heute gerade in Hangzhou begeistert gepflegt. Viele machen dies mit Pinsel und Wasser, statt mit Tusche und nicht auf Papier, sondern auf Steinplatten, was nichts kostet und äußerst kommunikativ ist. In den frühen Morgenstunden lässt sich dies besonders gut auf den Promenaden entlang des Westsees beobachten. Dann nämlich rücken alte und angehende Meister mit langen Pinseln und Wassereimern an und üben sich ein, zwei Stunden lang in dieser alten Tradition. Es sei denn, es regnet, was in Hangzhou zum Glück wesentlich seltener vorkommt als in unserem vertrauten Hamburg.
Wer schreibt findet schnell interessiertes Publikum, und es stört die Kalligraphen nicht, wenn man ihnen beim Schreiben zusieht und sich vielleicht sogar mit der einen oder anderen Frage oder einem Kommentar an sie wendet.
Geschrieben werden nicht einfach nur zusammenhanglose Zeichen, sondern klassische Texte und Gedichte.
Zu den Meistern gesellen sich auch Jüngere, die noch kräftig üben müssen und dies auch regelmäßig und ohne Scheu tun.
Nicht lange, dann trocknen die kunstvollen Zeichen und verschwinden. Aber das macht nichts, denn am nächsten Morgen geht’s ja schon von vorne los.