Der chinesische Startenor Warren Mok

 

Zunächst beeindruckte er mich auf der Shanghaier Opernbühne in Puccinis Tosca, später dann im Interview mit seinem fließenden Deutsch. In Hongkong hatte ich das Vergnügen, Warren Mok persönlich kennen zu lernen.

Warren Mok stammt aus einer angesehenen Medizinerfamilie. In Beijing geboren und in Südchina aufgewachsen, genoss er seine Ausbildung in den USA. Noch wenig vertraut mit seinem Werdegang sprach ich ihn auf Chinesisch an und war überrascht, als er mir auf Deutsch antwortete. Wieso er so gut Deutsch spricht? Weil er seine europäische Karriere 1987 an der Deutschen Oper Berlin begann. Sieben Jahre blieb er dort, eine Zeit, auf die er mit Stolz und Dankbarkeit zurückblickt, denn in Berlin erfuhr er seine künstlerische Prägung. Dort lernte er die weltbesten Sänger und Dirigenten kennen und verinnerlichte das europäische Kunstverständnis. Eine atemberaubende Zeit, die ihm Augen und Geist öffneten, denn in diesen Jahren erlebte er auch den Fall der Berliner Mauer, die Vereinigung Deutschlands und den Wandel in Osteuropa. 1994 kehrte er in den chinesischen Sprachraum zurück, ließ sich in Hongkong nieder und gründete eine Familie. Allerdings lassen ihm die vielen beruflichen Verpflichtungen nur wenig Zeit für sein Privatleben, denn Warren Mok ist inzwischen ein gefeierter Tenor, nicht nur in China, sondern auf allen wichtigen Bühnen der Welt, ob in Sydney, Paris, New York, Wien, Rom oder in Buenos Aires. Sein Repertoire umfasst mehr als sechzig Opernrollen. Darüber hinaus hat er sich mit seinen zwei Kollegen Wei Song und Dai Yuqiang zu den „drei chinesischen Tenören“ zusammengeschlossen, die beispielsweise letztes Jahr die Londoner in der Royal Albert Hall begeisterten.

Warren Mok verdient aber nicht nur als Sänger größte Aufmerksamkeit, denn er gehört zu jenen, die sich heute intensiv um die Verbreitung abendländischer Musik- und Operntraditionen im asiatischen Raum bemühen. So ist er künstlerischer Direktor des Internationalen Musikfestivals in Macao und der Oper Hongkong. Letztere hat er gegründet. Zudem berät er das Shanghaier Opernhaus und fördert vor allem unter jungen Chinesen das Verständnis für westliche Opern. Italiener und Franzosen haben sein Wirken inzwischen mit Preisen gewürdigt. In Deutschland scheint man sein Engagement noch nicht bemerkt zu haben.

Wieviel in Hinsicht auf Kulturvermittlung noch zu tun ist, ahnte ich während jener Tosca-Aufführung in Shanghai. Zwar bin ich daran gewöhnt, dass manche Zuschauer im Kino mit ihren Handys herumspielen, Textnachrichten abrufen und gelegentlich auch telefonieren. Aber dass dies auch während einer Opernaufführung passiert, hat mich dann doch ein wenig überrascht. In der Reihe hinter mir hörte ich plötzlich einen Mann „Wei! Wei?“ (Hallo! Hallo?) zischen. Erst glaubte ich, er meine mich, weil ich ihm vielleicht die Sicht versperrte. Aber dann sprach er weiter. „Bin gerade in der Oper. Wo treffen wir uns nachher zum Essen?“

Wenn im Publikum Smartphones aufleuchten, entgeht das auch den Sängern auf der Bühne nicht. Stört ein solches Verhalten Warren Mok nicht? Weise lächelnd beantwortet er meine Frage mit dem Hinweis auf das Beijinger Publikum. In der Hauptstadt sei man mit der abendländischen Kultur sehr vertraut. Dort käme kaum jemand auf die Idee, während einer Opernvorstellung zum Handy zu greifen. Mit den Shanghaiern und erst recht mit dem Publikum in anderen chinesischen Städten müsste man eben noch ein wenig Geduld haben. Und dann setzt er zu einer Huldigung des deutschen Publikums an. „Es ist das toleranteste der Welt. Ganz gleich welche Hautfarbe du hast und aus welchem Teil der Welt du stammst, die Deutschen sind unvoreingenommen und honorieren eine gute Leistung mit reichlich Applaus.“ Das sei keine Selbstverständlichkeit. Er arbeite gern mit den Deutschen zusammen, weil sie direkt und unkompliziert im Umgang wären. Ist man mit ihnen befreundet, dann hält eine solche Freundschaft ein ganzes Leben. Nur leider wären die Kassen im deutschen Kulturbereich so klamm. Darum fasst er zusammen: nach Deutschland gehst du wegen der Kunst, nach China, um gutes Geld zu verdienen.