Vom Vergnügen, chinesische Gäste zu bewirten

  

Kürzlich verkündete mein Mann gut gelaunt, er hätte sechs, sieben Freunde für den folgenden Abend zum Essen zu uns nach Hause eingeladen. Was es geben sollte, das stand auch schon fest: Jiaozi, gefüllte Teigtaschen, das Lieblingsgericht der Nordchinesen.

Sicherlich wäre ich ins Grübeln geraten, hätte es sich bei den Gästen um Deutsche gehandelt, die mit ihrem Leibgericht verwöhnt werden sollten, wobei ich mich frage, welches heute eigentlich das Leibgericht der Deutschen ist: Pizza, Schnitzel oder doch lieber Roulade? Jedenfalls hätte ich wahrscheinlich nur wenig Lust auf stundenlanges Vorbereiten verspürt und vorgeschlagen, in ein Restaurant zu gehen. Doch mein Mann hatte eben nicht sechs, sieben Deutsche, sondern sechs, sieben Chinesen eingeladen, und deshalb nickte ich nur kurz. Kein Zweifel. Das Lieblingsgericht der Nordchinesen sind Jiaozi. Und ein Jiaozi-Essen für insgesamt acht, neun Personen? Nichts leichter als das.

Jiaozi, gefüllte Teigtaschen, dürfen in Nordchina bei keinem wichtigen Anlass fehlen, weder zum Neujahrsfest, noch zum Geburtstag. Doch auch ohne wichtigen Anlass sind Jiaozi jederzeit willkommen, aber da die Vorbereitung recht aufwändig ist, müssen viele stressgeplagte Chinesen heute immer häufiger darauf verzichten. Es sei denn, sie kaufen sie tiefgefroren im Supermarkt. Aber die schmecken natürlich nicht so gut wie selbst gemachte.

Im Grunde genommen handelt es sich bei den Jiaozi um ein Arme-Leute-Essen, denn es werden nur wenige Zutaten gebraucht, die darüber hinaus noch denkbar billig sind. Der Einkauf war deshalb schnell gemacht: magerer Schweinebauch, Chinakohl, getrocknete Shitake-Pilze, ein wenig Porree und Mehl. Fertig! Am Nachmittag des nächsten Tages kam die Küchenmaschine auf den Tisch, die den Teig aus Mehl und Wasser knetete. Das Fleisch wurde durch den Wolf gedreht, das Gemüse maschinell zerkleinert, der Kohl mit Salz entwässert und ausgepresst. Schließlich wurden Fleisch und Gemüse vermischt und mit Gewürzen abgeschmeckt.

Dann trafen die Gäste ein und damit begann für alle das eigentliche Vergnügen, denn Jiaozi werden am liebsten gemeinsam im großen Kreis gemacht, so dass man herrlich dabei plaudern kann. Alle kennen das Prozedere, jeder hat es zu Hause gelernt und schon geht’s los. Um den Tisch versammelt, knetet der Eine den Teig noch einmal kräftig durch, formt Würste und reißt gleichmäßig kleine Bälle davon ab. Der nächste drückt sie platt, rollt sie mit einem Nudelholz zu dünnen, kreisrunden Fladen aus – im Durchmesser etwa acht Zentimeter breit – und wirft sie auf den Tisch. Die schnappen sich dann die anderen, platzieren jeden einzelnen auf die Handfläche, setzen einen Teelöffel Füllung drauf, klappen beide Seiten zusammen und drücken sie fest. Je nachdem wie man es von zu Hause kennt, werden kleine Fältchen oder Rundungen mit eingearbeitet. Und schon stehen die kleinen Kunstwerke in Reih und Glied auf bemehlten Platten und Tabletts. Auf diese Weise entstehen Hunderte von Teigtaschen und zwar in Windeseile, denn alle machen mit. Ist das Ende abzusehen, wird in einem großen Topf Wasser gekocht, in dem hinterher die Teigtaschen portionsweise gegart werden. Sitzen endlich alle am Tisch, reicht man zum Eintunken der Jiaozi dunklen Essig mit gehacktem Knoblauch. Wahre Nordchinesen greifen jedoch lieber nach ganzen Knoblauchzehen, von denen sie beherzt abbeißen.

Ist alles verputzt, wird abgeräumt und abgewaschen, und natürlich fassen alle wieder gemeinsam an. Und weil die freundlichen Chinesen immer sagen, dass man als Gastgeber doch völlig erschöpft sein müsste und sich deshalb ausruhen sollte, kann man dem ganzen Treiben mit einem Gläschen Wein in der Hand gemütlich zuschauen.